Internetpornografie – was sind mögliche Risiken von häufigem Konsum?
Pornografische Inhalte sind im Internet heute anonym, unbegrenzt und in ihrer ganzen Bandbreite verfügbar. 1 Gleichzeitig ist die Beschaffung von pornografischen Bildern und Filmen durch das Internet denkbar einfach geworden und teilweise kostenlos. Die Wirkungen vom exzessiven Konsum werden zunehmend aus verschiedenen Fachrichtungen (u.a. Sexualforschung, Entwicklungspsychologie, Medienwirkungsforschung) wissenschaftlich untersucht. Neben dem Phänomen der suchtartigen Nutzung pornografischer Inhalte im Internet werden auch weitere Problemlagen (z.B. der Konsum illegaler Inhalte, Toleranzentwicklung in Bezug auf sexuelle Gewalt und negative Auswirkungen auf die Beziehungs- und Bindungsfähigkeit) beforscht. 2 Ein Großteil der Untersuchungen und Diskussionen von Risiken und Gefahren bezieht sich dabei auf Jugendliche, da sich in dieser Altersspanne „(…) sexuelle Vorlieben und Bedürfnisse herausbilden“ 3 , sich das Gehirn somit in der Entwicklung befindet und Strukturen gefestigt werden.
Gemeinsam mit dem Onlinespielen scheinen Onlinesexangebote über ein besonders hohes Abhängigkeitspotential zu verfügen. 4 Es konnte gezeigt werden, dass insbesondere eine zeitlich intensive Nutzung von Onlinesexangeboten die Wahrscheinlichkeit statistisch bedeutsam erhöht, ein Jahr später eine Abhängigkeit zu entwickeln. 5 Das Suchtpotential von Internetpornografie wird mit der Ausschüttung von Dopamin und mit der Aktivierung der Lustzentren im Gehirn in Verbindung gebracht. Lernpsychologisch betrachtet sind verschiedene Mechanismen beteiligt. Wir lernen dann besonders gut, wenn eine Verknüpfung mit Emotionen besteht (hier: Erregung, Orgasmus), wenn wir uns in einer vulnerablen Phase (z.B. der Pubertät) befinden und, wenn es sich um die ersten Erfahrungen sexueller Art handelt. 6 An dieser Stelle wird die Relevanz der Wirkung im Jugendalter noch einmal besonders deutlich. Erfolgen also durch die Betrachtung von z.B. Bildern mit pornografischen Inhalten starke positive Gefühle (siehe auch die oben beschriebene Dopaminausschüttung), so können diese im Sinne einer Belohnung zur Verstärkung des Verhaltens führen, also zu häufigerem Konsum. Zudem kann die wiederholte Verknüpfung zwischen einem zunächst nicht sexuell besetzten Reiz (z.B. dargestellte Gewalt) und den sexuell erregenden Inhalten dazu führen, dass beide Aspekte eng miteinander verbunden werden und dann auch Gewaltdarstellungen Erregung auslösen können.
„Das Gesehene wird allmählich in das eigene Werte- und Normensystem übernommen und ggf. zur Handlungsanweisung, insbesondere wenn die „Vorbilder“ positive Konsequenzen erleben (sexuelle Lust).“ 7
Eine aktuelle Studie aus der Hirnforschung vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 8 ging der Frage nach, inwiefern sich die Häufigkeit der Nutzung pornografischer Inhalte im Gehirn zeigt. Festgestellt werden konnte im Ergebnis, dass sich mit zunehmendem Pornografiekonsum das Volumen einer Region im Belohnungssystem des Gehirns verringerte. Mit gesteigertem Konsum war zudem das Belohnungserleben bei der Betrachtung von Bildern mit pornografischen Inhalten geringer als bei Männern, die weniger konsumierten. Vermutet wird, dass dies zur Folge hat, dass stärkere Anreize benötigt werden, um ein ähnliches Niveau des Belohnungserlebens zu erhalten. 9 Darüber hinaus wird diskutiert, wie pornografische Inhalte von Jugendlichen bewertet werden. Aus lernpsychologischer Sicht könnten hier Mechanismen des Modelllernens wirksam sein, z.B. in Form von Akzeptanz im sozialen Umfeld oder Bilder in den Medien. 10
Die dargestellten Risiken, die mit häufiger Nutzung von Internet-Pornografie einhergehen können, verdeutlichen die Bedeutung der Sensibilisierung für das Thema insbesondere mit Blick auf das Jugendalter. Wichtig erscheint die Begleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, damit sie nicht früh und ungewollt mit Inhalten in Berührung kommen, die sie als erschreckend oder gar verstörend erleben. Dies ist durch die freie Zugänglichkeit dieser Angebote und der medialen Ausstattung von Kindern und Jugendlichen heute häufig eine Herausforderung. Begleiten und unterstützen heißt hier aber zusätzlich, miteinander in das Gespräch über Pornografie zu kommen und ihnen ein Gerüst von Werten und Normen mit zu geben, mit dem die Inhalte eingeordnet werden können und eine eigene Vorstellung von Sexualität und auch von Partnerschaft herausgebildet werden kann. Gemeinsam mit der Aufklärung über mögliche Risiken und Gefahren, können Jugendliche lernen, reflektiert mit sexuellen Inhalten im Internet umzugehen.
Quellen
- Döring N.(2009). The Internet’s Impact on Sexuality. A Critical Review of 15 Years of Research. Computers Human Behav (25): 1089-1101.
- Freitag, T. (2012). Internet- und Computer-Sex-Sucht. Psychiatrie & Neurologie (Schweiz) (5), 28-30. Abgerufen am 15.08.2016 auf: http://www.tabea-freitag.de/fileadmin/tabea-freitag/pdf/Neurologie___Psychiatrie_11_2012_internet_und_compisucht.pdf
- Doidge, N. (2014). Neustart im Kopf: Wie sich unser Gehirn selbst repariert. New York: Campus Verlag. 2. Auflage.
- Meerkerk, G-J., Van Den Eijnden, R. J., Garretsen, H. F. (2006). Predicting Compulsive Internet Use: It's All about Sex! CyberPsychology & Behavior. February 2006, 9(1): 95-103. doi:10.1089/cpb.2006.9.95.
- Hüther G (2007) Seminar am 14./15.9.2007 “Brainwash – die Macht der äußeren Bilder“.
- Freitag, T. (2011). Auswirkungen von Pornografiekonsum. Prä & Pro, Fachzeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Prävention und Prophylaxe, 1(13):1-20. Abgerufen am 15.08.2016 auf: http://www.rollenspielsucht.de/resources/Pornografie-RisikenundNebenwirkungen.pdf
- Kühn, S., Gallinat, J. (2014). Brain Structure and Functional Connectivity Associated With Pornography Consumption. JAMA Psychiatry. 2014;71(7):827-834. doi:10.1001/jamapsychiatry.2014.93.