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Gesprächsleitfaden

Liebe Eltern, Beziehung beginnt mit Verständnis. Verständnis braucht die Fähigkeit sich einzufühlen, in das was mein Kind bewegt. Zum Einfühlen braucht es wiederum ein Verstehen, um mit einer geeigneten Sprache und einer Haltung über die Nutzung pornografischer Inhalte zu reflektieren.

Im Folgenden möchten wir Sie beim Verstehen der Prozesse, die das Anschauen und Konsumieren von pornografischem Material mit sich bringt, unterstützen.

Was ist eigentlich Pornografie?

Der Begriff Pornografie leitet sich aus den beiden griechischen Wörtern "pórnē" (Hure) und "gráphein" (schreiben, zeichnen) ab. Pornografie gibt es schon lange: Wandmalereien und drastisch-obszöne Darstellungen wurden bereits bei Ausgrabungen in Pompeji gefunden. So unterschiedlich, wie sich Pornografie gestaltet, so unterschiedlich sind auch verschiedene Ansichten und Definitionen. Generell ist festzustellen, dass Darstellungen mit explizit sexuellen Inhalten, die als schamverletzend-obszön bewertet werden und sexuell erregend wirken, als Pornografie bezeichnet werden.

Hat Pornografie eine Bedeutung für die Entwicklung Ihrer heranwachsenden Kinder?

Für Jugendliche am bedeutsamsten im Zusammenhang mit Pornografie ist das Internet. Hier finden sie – oft ungewollt - Darstellungen mit nur wenigen Klicks, die je nach Geschlecht und Inhalt zur Erregung, Belustigung, Abgrenzung und als Masturbationsvorlage genutzt werden können. Nie zuvor war es leichter, nahezu immer und überall an pornografisches Material heranzukommen.

Weltweit gibt es hierzu bereits 400 Millionen Websites. Diese Möglichkeiten können dazu führen, dass Jugendliche heutzutage früh orale Praktiken und unterschiedliche Stellungen kennenlernen und auch ausprobieren. Ihre heranwachsenden Kinder werden demnach mit sexualisierten Bildern, Worten und Kommunikation konfrontiert, die ihrer körperlichen und seelischen Entwicklungsreife nicht entsprechen. Viele wollen es den gesehenen Körperbildern gleichtun. Dabei kann der Wille nach eigener Perfektion entstehen, je nach Persönlichkeitsstruktur, Kindheitserfahrungen sowie erlebtem Erziehungsstil.

Pubertät

In der beginnenden Pubertät sucht Ihr Kind die eigene Identität und somit einen Platz in der Gesellschaft. Es beginnt nun, sich langsam vom Elternhaus zu lösen und zunehmend eigene soziale Beziehungen aufzubauen. Dabei spielt auch die Sexualität eine wichtige Rolle. Der unbekleidete Körper und die eigene Sexualität werden als Privatsache empfunden, die vor den Blicken der anderen zu schützen ist. Mit der Pubertät durchlaufen heranwachsende Jugendliche körperliche und seelische Veränderungen. Geschlechtshormone werden produziert und helfen dem Körper die Geschlechtsorgane zu entwickeln.

Für Mädchen bedeutet dies:

  • Beginn mit ca. 10.-12. Lebensjahr
  • Die Brüste wachsen
  • Die Scheide mit Kitzler und Schamlippen wird größer
  • Haarwuchs unter den Achseln und um die Scheide
  • Der Zyklus beginnt (sie bekommen ihre Regel)

Für Jungen bedeutet dies:

  • Beginn mit ca. 11.-13. Lebensjahr
  • Stimmbruch
  • Das Glied wird länger und dicker
  • Die Hoden wachsen
  • Haarwuchs unter den Achseln, auf der Brust, am Hodensack, unter den Armen
  • Samenerguss
  • Zeugungsfähigkeit

Das Gehirn lernt

Diese körperliche Entwicklung verändert einiges in den Köpfen jugendlicher Jungen und Mädchen. Der US-Psychiater Jay Giedd vom National Institute of Mental Health in Maryland durchleuchtete tausende Kinder- und Teenagergehirne mit einem Kernspintomografen. Dabei stieß er auf eine riesige Baustelle, auf der ständig neue Gerüste zusammengeschraubt und alte abgerissen wurden. Unter dem Einfluss aufschäumender Sexualhormonproduktion beginnt mit der Pubertät eine Wachstumswelle im Hirn. Sie startet mit einer massiven Neuproduktion von Nervenzellen im Vorderhirn und erreicht bei Mädchen ihren Höhepunkt mit elf, bei Jungen mit zwölf Jahren.

Auch der deutsche Prof. Gerald Hüther, Neurobiologe an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen erklärt, „dass vor und während der Pubertät unter dem Einfluss der Sexualhormonproduktion eine prägende Umstrukturierungsphase im Gehirn stattfindet." Will heißen: Nervenzellen bilden in dieser Zeit verstärkt neue Verbindungen (Vernetzung) aus. „Verknüpfungen“, die häufig beansprucht werden, bleiben erhalten oder werden sogar noch verstärkt. Kaum oder gar nicht genutzte Kanäle verkümmern oder verschwinden." Das Gehirn lernt also nutzungsabhängig.

Gerald Hüther sagt: „Aus ursprünglich schmalen Pfaden (geknüpften neuronalen Verbindungen) werden je nach Häufigkeit, Dauer und Intensität der Nutzung neuronale Trampelpfade, Wege, Straßen, Autobahnen, d.h. schließlich feste Strukturen, gebahnte Denkweisen, Gewohnheiten, innere Bilder, die nun wiederum häufiger genutzt werden und sich damit weiter verstärken.“

Nach G. Hüther lernen wir dann am intensivsten, wenn:

  • es emotional zugeht,
  • wir uns in vulnerablen (verwundbaren) Phasen der Entwicklung befinden und
  • dies die ersten Erfahrungen dieser Art sind.

Pornografie entwickelt also genau dann eine besonders starke Wirkung, wenn sie:

  • mit starken Gefühlen - Erregung, Orgasmus – verbunden ist,
  • in Kindheit und Pubertät wahrgenommen wird sowie
  • keine eigenen sexuellen Erfahrungen vorausgegangen sind.

Die Expertin Tabea Freitag resümiert: „Lernpsychologisch ist das alarmierend, denn diese frühe Konfrontation geschieht - wie oben erklärt - in einer Zeit, in der sich die sexuelle Präferenzstruktur im Gehirn ausbildet, um die Pubertät herum festigt und mit sexueller Erregung verknüpft wird. Hinzu kommt, dass Heranwachsende in der pubertären Phase der Verunsicherung und Normorientierung (Was ist angesagt) stark beeinflussbar sind." 1

In dieser Zeit des Umbaus, liebe Eltern verlieben sich Ihre heranwachsenden Kinder, eine Zeit, in der sexuelle Wünsche und Vorlieben entdeckt und gelebt werden wollen. Die Vulnerabilität (Verwundbarkeit, Verletzbarkeit) steigt. Die französische Psychoanalytikerin Francoise Dolto bezeichnet diese Zeit der Entwicklung als Hummer-Syndrom:

"Wenn der Hummer den Panzer wechselt, verliert er zunächst seinen alten Panzer und ist dann, so lange, bis ihm ein neuer gewachsen ist, ganz und gar schutzlos"

Die erste Liebe

Ihre heranwachsenden Kinder verlieben sich, halten mit dem Freund, der Freundin Händchen, verbringen viel Zeit miteinander und küssen sich. Sie haben das Gefühl, zusammenzugehören. Diese erste zarte Liebe wird meist als sehr romantisch erlebt. Ein miteinander intim werden dauert meist Wochen oder Monate. Häufig spielt hier der Einfluss der Medien eine Rolle.

Warum?

Sie befinden sich in einer instabilen Lebensphase (siehe Abschnitt: “Das Gehirn lernt“), die sie erst einmal verunsichert. Die Veränderungen des Körpers, mangelndes Selbstwertgefühl, steigender Normierungsdruck (was ist angesagt?) und wechselnde Selbstzweifel suchen vor allem bei Mädchen nach Anerkennung in den Peers. Sie wollen nun das erste Mal hinter sich bringen und mitreden. Die Jungen hingegen möchten nun endlich die Erfahrung machen, die einen Jungen zum Mann macht. Die Neugier, die Möglichkeiten der Inhalte aus der Pornografie auszuprobieren und zu übernehmen ist groß. Bleibt dieses Nutzungsverhalten unreflektiert und fortwährend, kann es sein, dass die Bedürfnisbefriedigung in den Vordergrund rückt. Es findet ein Gewöhnungsprozess statt. Gleiche Reaktionen können nur mit erhöhter Stimulation erzeugt werden. Ihre Kinder verlernen, was Liebe ist und dies in einer Zeit, in der sie gerade erst anfangen zu lernen, was Liebe ist.

In dieser instabilen Entwicklungsphase brauchen Ihre Kinder Schutz, Orientierung, Aufklärung, Halt und den Dialog. Hier bietet die Familie nicht nur emotionalen Schutz, sondern auch hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten. Nun findet Entwicklung bekanntlich nicht in der Komfortzone stattfindet, sondern in der Herausforderungszone und diese spielt sich im Grenzbereich ab.

Die eigenen Grenzen und die Ihres Kindes zu wahren und dabei eine Balance zwischen fördernder Kontrolle und Ermutigung zu Selbständigkeitsbestreben zu leben, ist eine herausfordernde Aufgabe!

Familie als emotionales Trainingslager

Sie als Eltern sind für Ihre heranwachsenden Kinder unentbehrlich und in der Beziehungsarbeit eine emotionale Stütze. Oft hören Eltern weg und reagieren nicht, wenn Ihre Kinder unreflektiert mit einer sexualisierten Sprache umgehen. Hier einfühlsam einzuhaken und das Gespräch zu suchen, stärkt Eltern und sensibilisiert ihre heranwachsenden Kinder. Dies bestätigen Experten mit Aussagen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.

"Jugendliche schätzen es, wenn sie ein Gegenüber haben, das nicht großartig geschockt ist, nicht moralisch kommuniziert, sondern sich wirklich für sie interessiert, aber auch die eigene Haltung deutlich macht".

"Ich denke, unterbinden kann man nichts. Verbieten macht die Dinge noch attraktiver. Es ist vielmehr wichtig, dass die Jugendlichen die Kompetenz erwerben, mit diesen Dingen adäquat umzugehen, sie zu reflektieren. Eltern sollten eine Meinung haben, sollten sich mit sich selbst auseinandersetzen und ihre Haltung mit den Jugendlichen teilen."

„Es gilt darauf zu achten, dass Jugendliche bei Bedarf in vertrauensvollem Rahmen erwachsene Ansprechpartner*innen erreichen können, die ihre tatsächlichen Fragen zu pornografischen Darstellungen offen und kompetent beantworten können.“

Einfühlsam einhaken bedeutet zunächst Verständnis zeigen und braucht in der Regel eine Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Biografie. Diese fördert ein Verständnis für die Wahrnehmung des eigenen sexuellen Selbstkonzeptes. Im Bereich Sexualerziehung besteht bei fehlender eigener Auseinandersetzung die Sorge, eigne Vorstellungen von Sexualität und Sexualmoral auf Ihre Kinder unreflektiert zu übertragen.

Hierzu finden Sie einen Selbsttest

10 Regeln x 10 Fragen x 10 Antworten

Das Gespräch suchen, ist trainierbar. Dabei geht es in erster Linie um die Vermittlung von Respekt für Gefühle und Bedürfnisse. Ein mustergültiges Rezept gibt es nicht. Was es gibt, sind:

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